Autor: Jan Geißler
Esslingen-Rüdern: NABU möchte mit einem Projekt die biologische Vielfalt fördern – Michael Eppinger hat es umgesetzt
Auf einmal ist ein leises Brummenzu hören. Für einen kurzen Moment wird die Ruhe, die im Garten von Michael Eppinger in Esslingen-Rüdern herrscht, gestört. Dann ist es wieder still. Eine Hummel? Fehlanzeige. „Da, schauen Sie!“, ruft Eppinger und zeigt mit seinem Finger auf ein Insekt mit hummelähnlichem Körper, schwarzer Behaarung und violett glänzenden Flügeln. „Eine Holzbiene, die zeigt sich nur ganz selten.“ Aufgrund ihrer Körperlänge von rund 20 Millimetern und der für Bienen ungewöhnlichen Farbe ist die Gattung zwischen all den bunten Blumen zwar gut zu erkennen, oft zu Gesicht bekommt man sie dennoch nicht. „Ich habe sie dieses Jahr erst ein paar Mal gesehen“, erzählt Eppinger, dem es damit wohl geht wie vielen anderen Gartenbesitzern auch. Denn das Beispiel der Holzbiene verdeutlicht recht gut: Das Insektensterben ist in vollem Gange, die biologische Vielfalt geht zurück.
Der NABU Landesverband Baden-Württemberg versucht dieser Entwicklung mit dem Projekt Blühende Gärten entgegenzusteuern. Allein in Deutschland ist die Biomasse der Fluginsekten in Schutzgebieten seit 1989 um 75 Prozent zurückgegangen. Das bestätigt eine 2017 veröffentlichte Studie des renommierten Wissenschaftsjournals Plos One. Darüber hinaus weisen 40 Prozent aller Insektenarten eine negative Entwicklung auf. So sind beispielsweise bei den Wildbienen über die Hälfte aller Arten in ihrem Bestand gefährdet. Auch der Vogelrückgang belegt die These des Insektensterbens: Die Arten, die sich während der Brutzeit überwiegend von Insekten ernähren, verzeichnen mit etwa 20 Prozent die stärksten Bestandsrückgänge. „Das ist sehr alarmierend“, sagt Projektleiterin Anna Sesterhenn vom NABU. „Die Idee für das Projekt ist vor dem Hintergrund des Insektenschwunds entstanden.“ Ziel sei es deshalb, bei allen Menschen ein Gefühl dafür zu entwickeln, was jeder Einzelne gegen das Artensterben unternehmen kann. „Wir wollen für das naturnahe Gärtnern begeistern“, sagt Sesterhenn über das vom Umweltministerium geförderte und bis März 2020 angelegte Projekt. Der Garten sei schließlich das Zuhause vieler Tierarten und sollte deshalb auch dementsprechend gestaltet sein. Neben einem Flyer mit Tipps für den eigenen Garten, der seit einiger Zeit im Umlauf ist, verlost der NABU im Rahmen des Projekts 50 Beratungstermine für Privatpersonen sowie 50 weitere für Kirchen, Vereine und Unternehmen. Außerdem seien Vorträge an Volkshochschulen sowie in verschiedenen NABU-Gruppen geplant. „Privatgärten stellen gut die Hälfte aller Schutzgebiete in Deutschland dar, deshalb ist das Potenzial natürlich sehr groß“, sagt Sesterhenn und unterstreicht damit die Wichtigkeit des Unterfangens.
Der Garten von Eppinger am Stadtrand Esslingens stellt ein Paradebeispiel dar. Mit viel Auge fürs Detail hat der hauptberufliche Maschinenbauer hinter seinem Haus ein Paradies für Insekten und andere Kleintiere geschaffen: Nistkästen, Totholzhaufen, Tümpel, Wildbienenhotel, Steinmauern und ungemähtes Gras. Was für manch einen abschreckend und nach Unordnung klingt, ist weit davon entfernt. „Ein naturnaher Garten muss nicht zwingend unordentlich oder ungepflegt sein“, stellt Sesterhenn klar. Bei Eppinger, der im Schnitt einen dreiviertel Tag pro Woche im Garten verbringt, hat alles seinen Platz und System. Wie geleckt sieht es dennoch nicht aus. Soll es laut Besitzer aber auch nicht. „Je mehr Leben in einem Garten herrscht, desto reizvoller ist es doch“, sagt Eppinger, der das Geschehen daher immer gründlich beobachtet und dann überlegt, was er den Lebewesen anbieten kann und was umsetzbar ist. „Wenn man zum Beispiel einen Fink sieht, dann ist es doch naheliegend, eine Futterstation aufzuhängen.“
Das Schöne am naturnahen Gärtnern sei zudem der kontinuierliche Übergang. „Man muss nicht von heute auf morgen alles umkrempeln“, sagt Sesterhenn. Stattdessen könne man peu à peu Elemente im Garten integrieren, die die Flora und Fauna fördern. Auch Eppinger ist so vorgegangen. Irgendwann habe ihm die normale Pflege des Grundstücks nicht mehr gereicht, weshalb er sein Hanggrundstück Stück für Stück veränderte. „Herr Eppinger ist jetzt natürlich sehr fortschrittlich unterwegs – oftmals reicht es schon, wenn man sich nur ein paar Aspekte herausgreift und die dann bei sich umsetzt“, erklärt Sesterhenn, die noch einmal betont, dass in einem naturnahen Garten nicht auf alles, was schön ist, verzichtet werden muss: „Gewürze sind beispielsweise etwas, das Menschen und Tieren gefällt. “ Man solle lediglich darauf achten, dass es sich um heimische Pflanzen handele und nicht um Zuchtformen. „Manchmal hilft es, auf seinen gesunden Menschenverstand zu vertrauen“, gibt Eppinger einen der wichtigsten Ratschläge. Und dann eben einfach anfangen. System bekomme die Gartenarbeit dann meist ganz von allein.
Gewinnspiel: Der NABU verlost einen von 50 Beratungsterminen im eigenen Garten mit einem Gesamtwert von bis zu 800 Euro. Hierzu einfach unter www.blühendegärten.de/gewinnspiel am Quiz teilnehmen und dann das Lösungswort einsenden. Auch Vereine, Kirchen und Unternehmen können mitmachen und 50 weitere Beratungen gewinnen. In diesem Fall reicht ein kurzes Motivationsschreiben. Alle Informationen hierzu finden sich im Internet unter www.blühendegärten.de/bewerbung.
Fünf einfache Tipps für einen naturnahen Garten
Laub und Reisighaufen anlegen: Vor allem der Igel und andere Kleintiere fühlen sich im Schutz des wärmenden Haufens wohl. Abgemähtes Gras eignet sich perfekt als Abdeckung für Zweige.
Stauden nicht abschneiden: Stattdessen bis ins Frühjahr stehen lassen, da sie dem Garten eine schöne Winterstruktur verleihen. Außerdem dienen sie Insekten als Platz zum Überwintern.
Futterstationen und Nistkästen aufhängen: Vor allem Nistkästen bieten vielen heimischen Tierarten eine Möglichkeit zum Überwintern.
Sträucher und Bäume pflanzen: Dabei unbedingt darauf achten, dass die Früchte Vögeln als Nahrungsquelle dienen. In Frage kommen beispielsweise Pfaffenhütchen, Vogelbeere, Weißdorn, Wildrose, Holunder, Salweide oder Haselnuss.
Trockenes Laub häckseln: Die kleinen Stücke anschließend als dünne Schicht (sie sollten fünf bis zehn Zentimeter groß sein) über den Blumenbeeten verteilen. Auf diesem Weg wird das Bodenleben aktiviert, was wiederum dazu führt, dass sich Insekten und Würmer wohlfühlen. Wer keinen Häcksler zur Hand hat, kann übrigens problemlos den Rasenmäher mit Auffangbehälter einsetzen.